Mai 23

Das Strafverfahren muss streitig sein, um ein möglichst richtiges Urteil zu fällen!

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Das Strafverfahren muss streitig sein, um ein möglichst richtiges Urteil zu fällen!

Konsensuale Strafverfahren führen zu schnellen Urteilen und schonen die Ressourcen. Was aber ist mit der Wahrheit und der Gerechtigkeit?

Der ritualisierte Konflikt einer (streitigen) Hauptverhandlung ist zwingend erforderlich, um ein möglichst gerechtes – richtiges – Urteil fällen zu können.
Dr. Heiko Artkämper (Staatsanwalt)

Einseitige Ermittlungen im Strafverfahren erschweren die Wahrheitsfindung

Nach den traditionell einseitigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und deren – vom sogenannten Schulterschlusseffekt geprägtem – treuen Übernahme durch die Richter, ist es die Aufgabe des Strafverteidigers, den Blickwinkel auf das Verfahren wieder zu öffnen.

Auch Prof. Tolksdorf, der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofes, beschwört das Strafverfahren als seinem Wesen nach kon­t­ra­dik­to­risch, also geprägt von sich gegenüberstehenden Aussagen. Aber anstatt aufzuklären, werden nach Einschätzung von Tolksdorf etwa 2/3 der Strafverfahren durch „Absprachen“ (vulgo: Deals) frühzeitig beendet werden. BGH-Präsident Tolksdorf kritisiert „Deals“ – FAZ vom 30.01.2009

Nur wer das ganze Bild sieht, kennt die Wahrheit

Warum es so wichtig ist, nicht der ersten einfachen Wahrheit zu vertrauen, sondern sich die Zeit nehmen genau hinzuschauen, zeigt dieses Video:

Den hochgemuten, voreiligen Griff nach der Wahrheit hemmen will der Kritizismus des Verteidigers.
…, denn dem Richter könnte die Demut fehlen, zu erkennen, dass er im Einzelfall nicht zur Wahrheit durchgedrungen sei.
Max Alsberg (in Philosophie der Strafverteidigung – 1930)

Der Strafrichter als Opfer der Psychologie

Die Richter sind oft Opfer der Psychologie, ohne dies wahrnehmen zu können oder wollen. Es gibt hierzu die Heuristik, das ist die Kunst mit begrenzten Mitteln und Aufwand zu vertretbaren Entscheidungen zu kommen.
Auch die Theorie der Kognitiven Dissonanz prägt das Strafverfahren. Demnach werden neue Informationen ausgeblendet oder in seiner Wertigkeit geringeschätzt, die im Widerspruch zur bisherigen Einschätzung stehen.

Der Strafverteidiger als „Konfliktverteidiger“

Gleichwohl werden landauf landab diejenigen Verteidiger als „Konfliktverteidiger“ herabwürdigt, die die Rechte Ihrer Mandanten ernst nehmen und sich weigern, bloße „Geständnisbegleiter“ zu sein.

Die Verteidiger haben aber nicht die Aufgabe, die Freizeitinteressen der Richter zu schützen.
Sascha Petzold – Strafverteidiger

Von engagierten Verteidigern wird oft vorgeschlagen, ein Verteidiger müsse konfliktbereit sein, solle aber nicht konfliktorientiert sein.

  1. Strafverteidiger sind sich mit Staatsanwaelten und diversen Richtern einig
    Das die Staerkung von Opferrechten zum gelebten Kindesschutz
    die Unschuldserfindung trotz erwiesenen Straftatfakten erschwert.
    Hieraus werden hochstrittige Gegenuebertragungsideologien konzipiert
    die Täter zum Opfer ernennen
    und echte Geschaedigte mussen einseitige Gewalt hinnehmen , auf Umsetzung
    ihrer Grundrechte verzichten.
    Diese Praxis in NRW fuehrte unter Kutschaty zum Erfolg.
    5 Haftanstalten wurden unlaengst geschlossen
    Steht es hier einfachen Buergern zu , vermuten zu duerfen, das sich die SPD
    Spendenaffaeren , siehe Medienberichte zu Jaeger und Kutschaty, siehe
    Schweizer Banken, siehe Swap Deals der Staedte Kamen, Bergkamen
    mit WestLB und diversen Sparkassen durchaus abrunden ?
    Was die psychologischen Erkenntnisse in Strafprozessen m.M.n. eint
    ist die Verwechslung von Bauernschlaeue mit Intellekt.
    Opferseelen werden dadurch nicht entlastet.

  2. lawtroll 27 Mai 2014 | reply

    Konfliktverteidigung macht aus meiner Sicht nur in drei Situationen Sinn: 1.) Der Verteidiger weiß, was er tut. 2.) Die Beweislage ist so, dass eine Konfliktverteidigung zu einem günstigen Ergebnis für den Mandanten führen kann. Letzteres setzt u. U. auch voraus, dass man sich bereits vor Antragstellung sicher ist, was zusätzliche Beweismittel ergeben werden (ohne sich in die Gefahr zu begeben, dass ein in die Enge getriebener Zeuge einen womöglich der Verleitung zur Falschaussage bezichtigen kann). 3.) Es besteht die konkrete Gefahr, dass die zur Entscheidung berufene Amtsperson ohne den Verteidiger ein bestimmtes Problem möglicherweise übersehen oder – zu Ungunsten des Mandanten- nicht hinreichend aufklären würde.
    Ansonsten isses ein Sturm um nix und man erzielt u. U. mit dem von Ihnen geschmähten „Verurteilungsbegleiter“ deutlich bessere Ergebnisse… zumal Respekt vor den übrigen Verfahrensbeteiligten nicht nur dem dazu verpflichteten Gericht, sondern auch dem Verteidiger, jedenfalls so lange er keine konkreten Einwendungen geltend machen kann, grundsätzlich gut ansteht.

    • Sascha Petzold 27 Mai 2014 | reply

      @lawtroll
      Ich sehe keine Kluft zwischen Respekt den anderen Verfahrensbeteiligten gegenüber und einer „Konfliktverteidigung“ im Sinne einer „kontradiktorischen Verteidigung“. Ich kann alle notwendigen Anregungen und Anträge höflich und respektvoll anbringen.
      So empfiehlt es schon das berühmte „Harvard Konzept“ – Freundlich gegen der Person, Hart in der Sache.
      Auf Krawall und Klamauk sollte man verzichten. Es geht aber oft um die unterschiedliche Bewertung wo konstruktive Konfliktverteidigung aufhört und wo der Krawall anfängt.

  3. Treehugger 26 Mai 2014 | reply

    Und ich dachte immer, Strafverteidiger wären daran interessiert, eine Verurteilung ihres Mandanten zu vermeiden oder wenigstens eine Verurteilung zu günstigeren Konditionen zu erreichen, aber weniger an „der“ Wahrheit…!;)

    • Sascha Petzold 26 Mai 2014 | reply

      @Treehugger
      Ich würde es so formulieren. Der Verteidiger ist daran interessiert, alle Positiven Aspekte für den Mandanten ins Licht zu setzen; und manchmal ist das eben die Wahrheit.

  4. lawtroll 24 Mai 2014 | reply

    Wie schön, dass Strafverteidiger als einzige im Sitzungssaal in der Lage sind, „die“ Wahrheit zu erkennen und niemals etwa Opfer eigener Arroganz, der Heuristik oder der kognitiven Dissonanz werden…
    Zwischen mieser Nichtverteidigung, ordentlicher Verteidigung, engagierter Verteidigung, Konfliktverteidigung und Krawallverteidigung dürfte es eine Vielzahl von Abstufungen geben, und es dürfte nicht zuletzt an der – voraussichtlichen – Beweislage im Einzelfall liegen, welche Strategie am günstigsten für den Mandanten zu sein verspricht. Sicherlich gibt es auch faule Richter, sicherlich gibt es auch gewissen Sachzwängen der Organisation im Ganzen geschuldete Tendenzen (Anzahl der auf das jeweilige Dezernat entfallenden laufenden Strafverfahren mal jeweils zur Verfügung stehenden Beweismitteln plus voraussichtlichem Zeitaufwand geteilt durch Sitzungstage und reguläre Öffnungszeiten der Gerichte),aber das ist nun beileibe nicht die ganze Geschichte. Aus Richtersicht werden übrigens nur diejenigen Anwälte als Konflikt- oder im Einzelfall sogar als Krawallverteidiger geschmäht, die, ohne rechtlich gut zu sein, an Stellen Streit suchen, die für den Mandanten mies sind. Ein Anwalt, der an den richtigen Stellen Sand ins Getriebe streut, erfüllt hingegen auch aus der Sicht hinter der Theke schlicht seinen Job und wird respektiert. Von solchen Anwälten gibt es glücklicherweise eine ganze Menge, aber es gibt auch Rüpel, die fehlende Rechtskenntnisse durch dicke Backen versuchen wettzumachen.

    • Sascha Petzold 26 Mai 2014 | reply

      @lawtroll
      Zunächst scheinen sich unsere Auffassungen weitestgehend zu decken. Ich warne in Vorträgen immer vor Konfliktverteidigung, wenn man die StPO nicht beherrscht.
      Weder ich noch meine Kollegen Strafverteidiger haben die Wahrheit gepachtet; aber auch nicht die Staatsanwälte oder Richter. Alle sind auf ihre Art voreingenommen.
      Gerade deswegen liebe ich ja das Video so sehr. Erst der Ganze Blick aus mehreren Blickwinkeln eröffnet den Zugang zur Wahrheit.

  5. grumpylawyer 24 Mai 2014 | reply

    Tolksdorf kritisiert(e) den „deal“, weil er zu schuldunangemessen niedrigen (!) Strafen führe. Sind Sie sicher, dass das Ihr richtiger Kronzeuge ist??

    „Konfliktverteidigung“ ist im Übrigen ein von Krawallverteidigern – was der passendere Begriff wäre – geprägter Euphemismus. Gegen (bloße) Konfliktverteidiger hat niemand etwas.

    • Sascha Petzold 26 Mai 2014 | reply

      @grumpylawyer
      Sie haben Recht, das Tolksdorf im Artikel die unangemessen milden Strafen rügt. Als ehemaliger Polizist, kommt er seiner Domestizierung wohl nicht aus.
      Ich erinnere mich aber, dass er bei der Anhörung beim BVerfG zum Deal im letzten Jahr angemerkt hat, dass die Strafverhandlung kontradiktorisch angelegt ist und er schon deswegen ein Gegner des Deals sei. Leider habe ich keine Fundstelle mit Link dafür gefunden.
      Ich glaube aber, dass der Begriff der Konfliktverteidigung von der Strafjustiz geboren wurde, habe das aber nicht historische recherchiert.
      Artkämper nennt die von Ihnen bezeichneten Krawallverteidiger auch gerne Klamaukverteidiger. Ich fühle mich zu beidem weden zugehörig noch hingezogen. Das dürfe aus dem Beitrag und der ersten Kommentar-Antwort offensichtlich sein.
      Leider höre ich immer wieder, dass Verteidiger die Beweisanträge stellen, schon als Störenfriede angesehen werden. Das ist aber kein Krawall sondern Aufgabe des Verteidigers.

  6. RiAG M 24 Mai 2014 | reply

    Herr Petzold. Sie wollen doch nicht ernsthaft der Konfliktverteidigung das Wort reden. Was soll das bringen. Die Anwälte tun sich hier leicht. Es sind aber die Mandanten, die das ausbaden müsse.

    • Sascha Petzold 24 Mai 2014 | reply

      @RiAG M:
      Darf ich dem Titel und Wortlaut Ihres Posts entnehmen, dass Sie sich Sorgen um ein geordnetes Verfahren machen und bereits schlechte Erfahrung mit konflikt-geneigten Strafverteidigern gemacht haben?
      Ich bin gerade nicht für den Konflikt seiner selbst Willen. Nur zur Wahrheitserforschung ist eine kontradiktorische Strafverhandlung nützlich, wenn nicht gar unabdingbar.
      Schauen Sie sich doch das Video noch einmal an. Ich kenne niemanden, der nach den ersten beiden Sequenzen nicht ein Bild – quasi als Vorurteil – im Kopf hatte. Ohne die Aufklärung durch die letzte Sequenz, hätte jeder ein fehlerhaftes Urteil gemacht.
      Es ist wohl unsere Aufgabe als Strafverteidiger, die Sequenz aus der Vogelperspektive zu liefern.

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