Oktober 16

Das Strafverfahren als hypothesengeleiteter Prozess

Das Problem psychologischer Einflüsse auf das Strafurteil

Das Gesetz geht von einem unbeeinflussten Richter aus, dessen Entscheidungen allein aufgrund der objektiven Tatsachen getroffen werden. Andere Beweggründe und Einflüsse sollen angeblich nicht relevant sein. So hat z.B. das BVerfG festgestellt:

»Das Kernstück des Strafprozesses ist die Hauptverhandlung. In ihr wird nach dem mehr summarischen Vor- und Zwischenverfahren der Sachverhalt endgültig aufgeklärt und festgestellt, und zwar in einer Weise, die nach allgemeiner Prozesserfahrung größte Gewähr für die Erforschung der Wahrheit und zugleich für die bestmögliche Verteidigung des Angeklagten und damit für ein gerechtes Urteil bietet.«
(BVerfG, 26.03.1987 – 2 BvR 589/79; 2 BvR 750/81; 2 BvR 284/85 = BVerfGE 74, 358, 372.)

Die Richter gefallen sich in dieser Rolle. Die Öffentlichkeit achtet die Richter für diese Rolle.

Leider geht die Annahme an der Wirklichkeit vorbei und ignoriert gefestigte wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Psychologie. Richter unterliegen, wie alle anderen Menschen auch, starken psychologischen Einflüssen, die mit Wahrheitsfindung und Objektivität nichts zu tun haben, sie vielmehr erschweren und behindern.

In theory there is no difference between theory and practice. 
In practice there is.
Yogi Berra
Januar 16

Psychologie in der Strafverteidigung – von Richtern und Würfeln

Seminarankündigung: 3. Februar 2015 um 19:00 Uhr
Referent: Rechtsanwalt Sascha Petzold, Fachanwalt für Strafrecht – München

Vortrags- und Diskussionsreihe
Aktuelle Probleme des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts in der Anwaltspraxis – XXXV

Veranstalter:
Institut für Anwaltsrecht an der Ludwig Maximilians Universität München
in Zusammenarbeit mit dem
Lehrstuhl für Straf- und Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie
und der
Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V.

August 15

Gewalt und Härte in Vernehmungen schadet mehr als es bringt

„Härte bringt nicht zum Reden“ titelt die Frankfurter Rundschau vom 12.08.2014.

288 Stunden Aufzeichnungen aus Verhören hat Prof. Laurence Alison vom Centre of Investigativ Psychology in Liverpool ausgewertet und kommt zu den Ergebnis, schon milder Druck kann bei der Wahrheitssuche schaden.

Warum die harte Technik versagt und ein gutes Verhältnis Ergebnisse bringt.
Studie von Prof. Laurence Alison
Juli 7

Strafverteidiger vs. Staatsanwalt | 25.10.14 in Düsseldorf

Save the date – Seminarankündigung: Am 25.10.2014 halte ich zusammen mit dem Staatsanwalt Andreas Franck zum 5. Mal unseren Vortrag:

Strafverteidiger vs. Staatsanwalt

Zielgruppe:

Das Seminar richtet sich an Strafverteidiger und Fachanwälte für Strafrecht.

Thema:

Moderne Strafverteidigung erfordert neben fundierten Kenntnissen des Rechts zumindest die Grundzüge psychologischer Wechselwirkungen. Die Referenten, ein Verteidiger und ein Staatsanwalt (ehemaliger Richter), erörtern dialogisch und kontrovers klassische Spannungsfelder in der Strafverteidigung. Der Dialog spiegelt hierfür die Praxis besser und lebendiger wieder. Die Diskussion mit den Seminarteilnehmern ist ausdrücklich erwünscht.

Juli 5

Sind Sie ein guter Zeuge? – Nicht nur für Liebhaber britischer Krimis

Sind Sie ein guter Zeuge? – Nicht nur für Liebhaber britischer Krimis

In der Fachliteratur ist unumstritten:

Der Zeugenbeweis ist der schlechteste Beweis im Strafverfahren!

Gleichwohl scheint sich die Strafjustiz nicht daran zu stören. Die meisten Verurteilungen basieren auf den Zeugenbeweis, ofmals sogar nur von einem Zeugen. Ich habe noch nie erlebt, wie ein Gericht oder ein Staatsanwalt eine sorgfältige Beweiswürdigung nach den Anforderungen der Aussagepsychologie oder den Kriterien des Bundesgerichtshof durchgeführt hat. Vielmehr liest man immer die gleichen Textbausteine:

Der Zeuge war überzeugend, da er zumindest im Aussagekern widerspruchsfrei und ohne erkennbaren Belastungseifer ausgesagt hat. Ein Grund für eine Falschbezichtigung des Angeklagten war nicht erkennbar.

Hier liegt der Fehler; es geht nicht um den lügenden Zeugen, sondern den irrenden Zeugen. Die Menschheit ist nicht zum Zeugen geboren und hat sich in den Jahrhunderten hierzu auch nicht weiter entwickelt. Wir sind vielmahr nach wie vor „Jäger und Sammler“.