Immer wieder berichten Strafverteidiger und auch Journalisten, sie hätten das Gefühl gehabt, im falschen Film gewesen zu sein, als sie die Urteile lasen. Umso mehr erstaunt die Hartnäckigkeit der Strafjustiz, eine vernünftige Dokumentation der Beweisaufnahme einzuführen oder zuzulassen.
Verfahrenstatsachen | Beweislastumkehr bei Dokumentationsverstößen
Das OLG Karlsruhe nimmt in seinem Beschluss vom 29.08.2013 (3 Ws 293/13 = StV 2014, 401) den Ball des BVerfG auf:
Die Strafverfolgungsorgane nehmen es mit den Dokumentationspflichten oft nicht sehr genau. Typischer Streitpunkt sind z.B. in der Hauptverhandlung Fragen zur Belehrung:
- Ist überhaupt belehrt worden?
- Wann ist belehrt worden?
- War die Belehrung richtig?
Klassisch behauptet der Angeklagte, nicht belehrt worden zu sein; der Polizist versichert, er belehre immer. Das Gericht freut sich, weil die Belehrungsverstöße nicht nachgewiesen werden konnten und verhandelt zufrieden weiter. Wer will sich schon mit Beweisverwertungsverboten herumärgern.
BGH gibt Anweisung zur Umgehung von Beweisproblemen
Der 1. Strafsenat beim Bundesgerichtshof zeigt in seiner Entscheidung vom 21.03.2012 (Az.: 1 StR 43/12) was er von der Notwendigkeit einer Beweiswürdigung hält – nämlich nichts.
Leitsätze formuliert von Rechtsanwalt Petzold
aus der Besprechung der Entscheidung in der Zeitschrift Strafrechtsreport (StRR) 2012, 306 f.:
1. Ein Vernehmungsprotokoll darf dem Ermittlungsrichter vorgehalten werden. Verwertbar ist aber nur das, was nach dem Vorhalt in die Erinnerung zurückkehrt. Hierzu genügt nicht die ermittlungsrichterliche Bestätigung, die Aussage richtig protokolliert zu haben.
2. Zur Frage des Beruhens, wenn sich die unzulässig erhobenen Feststellungen nicht maßgeblich auf die Überzeugungsbildung ausgewirkt haben.
3. Der Ermittlungsrichter hat eine Vernehmung derart zu verinnerlichen, dass es zu keinen Beweisproblemen des Instanzgerichts mehr kommen kann.