März 31

Richter Rasputin, oder – Glaskugel in Robe

Dass Richter moderne Helden der Jurisprudenz sind, ist ja allgemein bekannt. So lobt eine Amtsrichterin in Würzburg sich und ihre Kollegen:

Die Eingangsvoraussetzungen zum Beruf des Richters oder Staatsanwalts sind in Bayern bekanntermaßen hoch. Aufgrund dieser dem Angeklagten bekannten Umstände war der Rückschluss von einer im Beschluss fehlenden Darlegung auf eine fehlende Überprüfung falsch und nicht einmal naheliegend.
AG Würzburg, Urteil vom 29.09.2012 – 103 Cs 701 Js 19849/11

Urteilsgründe im Strafverteidiger-Wiki

Der BGH postuliert stereotyp und nicht minder verlogen, die Beurteilung der Glaubhaftigkeit sei „ureigenste Aufgabe“ des Strafrichters, so dass ein Sachverständigengutachten regelmäßig überflüssig ist. Die Wahrheit ist, dass die Befähigung der Richter hierzu in der Regel nicht über denen eines Spielwürfels liegt. Sie sind nur von ihre Befähigung überzeugter, als es ein Würfel je sein könnte. (*)

Es kommt aber noch toller. Richter, jedenfalls manche, können auch die Zukunft voraussagen. Billige Polemik sagen Sie! Falsch, lesen Sie nach beim Gerichtsgutachter Max Steller: „Nichts als die Wahrheit? Warum jeder unschuldig verurteilt werden kann“, Seite 175:

August 28

Erlaubte Gefangenenbefreiung

Das tolle als Strafverteidiger ist, wir haben die Lizenz zur Gefangenenbefreiung. Leider klappt das nicht immer, da wir einen Mitspieler haben, den Richter.

Es ist immer ein besonderes Gefühl einen Mandanten aus dem Gefängnis zu befreien und der Freiheit zu übergeben.
Strafverteidiger Sascha Petzold

Heute war es wieder einmal soweit. Bei strahlendem Sonnenschein holte ich meine Mandantin aus der JVA München und brachte Sie in die Nähe des Englischen Garten, wo sie die Freiheit und die Sonne genießt.

August 16

Drohende Beinamputation – Staatsanwältin stellt wegen Geringfügigkeit ein!?

Es ist schon erstaunlich, wie Staatsanwälte ticken. Auf der einen Seite verfolgen Sie ohne Erbamen und Verstand auch Unschuldige und sind beleidigt, wenn das gericht (ausnahmsweise) freispricht.

Andererseits gibt es nicht nachvollziehbare Milde. Verletzten droht die Amputation eines Beines, er muss mehrere Operationen über sich ergeben lassen, verbringt Monate im Krankenhaus und kann nie wieder seinen erlernen Beruf ausüben. Logische Konsequenz: Einstellung des Verfahrens:

Bleibende Schäden sind nicht entstanden.
Staatsanwältin M. aus München
August 1

Fehlurteile und Wiederaufnahme im Strafprozess

Nach Einschätzung des Richters am Bundesgerichtshof (BGH) Dr. Ralf Eschelbach sind 1/4 aller Strafurteile Fehlurteile. Deswegen stellt sich die Frage, wie kommt es zu Fehlurteilen und wie können diese in Wiederaufnahmeverfahren korrigiert werden. Während die Justiz hierzu scheinbar keinen Aufklärungsbedarf sieht und die einzige erkennbare Tendenz ist, die Fehlurteile um jeden Preis aufrecht zu erhalten, hat der Strafrechtsausschuss des DeutschenAnwaltVerein zu einem Expertengespräch geladen. (AnwBl 2014, 741 f.)

Juli 23

Sind Richter Urteils-Frisöre oder Wahrheit ade

Immer wieder berichten Strafverteidiger und auch Journalisten, sie hätten das Gefühl gehabt, im falschen Film gewesen zu sein, als sie die Urteile lasen. Umso mehr erstaunt die Hartnäckigkeit der Strafjustiz, eine vernünftige Dokumentation der Beweisaufnahme einzuführen oder zuzulassen.

Warum habt Ihr Angst vor der Wahrheit?
Juni 2

Kieferbruch ist kein Grund, gegen Polizisten wegen Körperverletzung zu ermitteln.

In der Wochenendausgabe der Südeutschen Zeitung vom 31.5./1.6.2014 wird über einen weiteren „Einzelfall“ womöglicher Polizeigewalt berichtet.

Ein Polizeibeamter trinkt mit seiner Freundin erhebliche Mengen Alkohol, es kommt zum Streit und die Frau wacht mit einem doppelten Kieferbruch auf. Für die Polizei und die Staatsanwaltschaft ist das kein Grund, ernsthaft zu ermitteln. Immerhin klärt der Polizeibeamte auf, seine Partnerin habe ihn angegriffen und dann habe er ihr reflexartig eine Haken versetzt.

Ein Jahr später, ohne dass weitere Ermittlungen durchgeführt wurden, läßt der Polizist vom Verteidiger eine andere Geschichte erzählen: Die Partnerin habe ihn barfuß gegen das Schienbein getreten und eine Ohrfeige gegeben. Deswegen habe er mit dem linken Arm reflexartig eine Abwehrbewegung gemacht.

Welche Version stimmt jetzt? Egal – die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Bei Polizistengattinen gehört ein Kieferbruch vielleicht zum allgemeinen – leicht erhöhten – Lebensrisiko.