Juni 26

Wird der Strafprozess reformiert oder verschlimmbessert?

Heute findet sich in der FAZ (Seite 8) ein Artikel von Prof. Dr. Matthias Jahn zur geplanten Reform der StPO. Im Koalitionsvertrag ist bestimmt, dass bis zur Mitte der Legislaturperiode handfeste Vorschläge hierfür erarbeitet werden sollen. Am nächsten Montag tritt ein Expertengremiun zum ersten Mal zusammen.

Effektiver Strafprozess als Ziel

Das Ziel soll nach der Koalitionsvereinbarung sein, das Strafverfahren unter Wahrung rechtstaatlicher Grundsätze effektiver und praxistauglicher zu gestalten. Jahn plädiert dafür, statt einem Stakkato kurzfristig realisierbarer, aber kleinteiliger Vorschläge lieber ein aufeinander abgestimmtes Legato fortentwickelter Verfahrensprinzipien einzustimmen, so z. B.

  • Unschuldsvermutung
  • Partizipation
  • Konsens
Juni 2

Kieferbruch ist kein Grund, gegen Polizisten wegen Körperverletzung zu ermitteln.

In der Wochenendausgabe der Südeutschen Zeitung vom 31.5./1.6.2014 wird über einen weiteren „Einzelfall“ womöglicher Polizeigewalt berichtet.

Ein Polizeibeamter trinkt mit seiner Freundin erhebliche Mengen Alkohol, es kommt zum Streit und die Frau wacht mit einem doppelten Kieferbruch auf. Für die Polizei und die Staatsanwaltschaft ist das kein Grund, ernsthaft zu ermitteln. Immerhin klärt der Polizeibeamte auf, seine Partnerin habe ihn angegriffen und dann habe er ihr reflexartig eine Haken versetzt.

Ein Jahr später, ohne dass weitere Ermittlungen durchgeführt wurden, läßt der Polizist vom Verteidiger eine andere Geschichte erzählen: Die Partnerin habe ihn barfuß gegen das Schienbein getreten und eine Ohrfeige gegeben. Deswegen habe er mit dem linken Arm reflexartig eine Abwehrbewegung gemacht.

Welche Version stimmt jetzt? Egal – die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Bei Polizistengattinen gehört ein Kieferbruch vielleicht zum allgemeinen – leicht erhöhten – Lebensrisiko.

Mai 26

Ohne Befangenheitsantrag kein Recht auf faires Verfahren

Ohne Befangenheitsantrag kein Recht auf faires Verfahren

Die Verfahrensrüge des Verstoßes gegen den Grundsatz des faiten Verfahren kann in der Regel nicht in Betracht kommen, wenn der Angeklagte es unterlassen hat, den Tatrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Meyer-Goßner

Woher kommt die Begeisterung der Obergerichte für Befangenheitsanträge?

Meyer-Goßner übernimmt in seinem Kommentar die Entscheidung des BGH vom 28. 10. 2008 (Az.: 3 StR 431/08) kritiklos. Der Senat führt aus:

Auf der Grundlage des von ihm behaupteten Verfahrensgeschehens konnte der Revisionsführer nach deutschem Strafprozessrecht entweder den Richter bereits in der Tatsacheninstanz wegen Besorgnis der Befangenheit und nach Zurückweisung des Ablehnungsantrags den absoluten Revisionsgrund geltend machen oder gegebenenfalls die Unverwertbarkeit seines unter Druck zu Stande gekommenen Geständnisses rügen. Daneben kommt eine allgemein auf die Verletzung des fairen Verfahrens gestützte Rüge nicht in Betracht.
BGH NStZ 2009, 168